(AS: In den christlichen Kirchen wird landauf – landab immer wieder ‚verkündet‘, Christus sei der Mensch gewordene Gott, besonders betont an Weihnachten und Ostern. Das ist eine Irrlehre. Er ist Gottes einziger Sohn, mit dem Vater engstens verbunden, jedoch nicht auf gleicher Stufe mit dem Vater. Das bringt er immer und immer wieder selbst zum Ausdruck. Gott ist auch ihm Gott, Christus ist sein gehorsamer Sohn, der sich in allem dem Willen des Vaters unterordnet.)

J: Ich möchte einige Beispiele herausgreifen, um das, was ich euch zu bringen habe, besser verständlich zu machen, damit es auch für den Zweifler glaubwürdig wird.

So nehmen beispielsweise auch gläubige Christen Anstoß an den Worten, die Jesus in seinen größten Schmerzen am Kreuze ausgerufen hat: “Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?” Sie können diese Worte nicht verstehen. Wenn aber ein denkender Mensch ihnen nachsinnt, findet er auf verschiedene Fragen selber Antwort. Dies ermöglicht ihm allein schon dieser Satz: “Mein Gott, warum hast Du mich verlassen?” (Vgl. Matthäus 27,46.)

(AS: In der Ausdeutung dieses Satzes – treu der Lehre seiner Kirche – verstieg sich ein Prediger in der näheren Umgebung zu dem Satz: „Am Kreuz erlebte Gott seine eigene Gottesferne!“ – Geht es noch widersinniger? Wie könnte sich Gott selbst verlassen?!)

Als erstes muss dem Christen in diesem Zusammenhang klargemacht werden, dass Christus nicht Gott ist. Wenn ich solches sage, wird so mancher gläubige Christ dem nicht zustimmen wollen. Denn er folgt dem Dogma der Christenheit, das Christus auf den Thron als Gott gesetzt, das aus ihm Gott gemacht hat. Dabei hat sich Jesus in seiner Lehre so deutlich ausgedrückt und immer wieder erklärt: “Ich bin der Sohn Gottes.” Christus ist der Sohn Gottes. Auch die christliche Lehre hat Christus als den eingeborenen Sohn Gottes übernommen. Was bedeutet ‘eingeborener Sohn’? Es bedeutet: Christus ist aus Gott geboren, ist als geistiges Wesen aus Gott ins Dasein getreten. (AS: Als einziges Wesen aus Gott ins Dasein getreten!)

Heutzutage überprüft man in der Wissenschaft so viele Dinge und kommt dadurch zu Ergebnissen. Warum überlegt man sich dann auch dieses nicht näher? Will man vielleicht die irrige Auffassung, Christus sei Gott, nur deshalb nicht preisgeben, weil man das einmal aufgestellte Dogma für unfehlbar hält? Der Christ sollte sich vielmehr an das halten, was Christus von sich selbst ausgesagt hat: “Ich bin der Sohn Gottes.” Nie hat sich Jesus als Gott ausgegeben. Wie kommen Menschen dazu, ihn als Gott anzusprechen? Hier erhebt sich doch dann die Frage, wie ein Gott, der über alle Dinge Macht hat – und Gott hat wahrhaftig alle Macht –, wie ein Gott, der Herr über alles und dem alles untertan ist, sich selbst verlassen kann.?! Dächte der Christ auch nur etwas darüber nach, müsste er doch gleich erkennen, dass hier etwas nicht stimmt. Denn ein Gott, der über alles Macht hat, kann sich weder selbst verlassen fühlen, noch kann er sich selbst verlassen. Also muss es Grund und Ursache haben, warum Christus am Kreuz ausrief: “Mein Gott, warum hast Du mich verlassen?”

Christus ist nicht Gott, aber er ist der höchste Geist in der Schöpfung Gottes. Christus ist aus Gott geboren. Christus ist der Sohn Gottes.

Ihr mögt euch selber ausmalen, wie bestürzt die Familie war, in der Jesus aufgewachsen war, als sie aus seinem Munde vernahm: “Ich bin der Sohn Gottes.” Dies sprach er zum ersten Mal in [49 Seitenwechsel 50] seiner Familie aus. Da waren doch Vater und Mutter und Geschwister da – und Jesus sagte zu Josef: “Du bist nicht mein Vater. Mein Vater ist im Himmel. Ich bin der Sohn Gottes.” Was glaubt ihr, wie schwer es Jesus seiner Familie gemacht hat. Von all dem wird in der gängigen christlichen Lehre kein Wort gesprochen.

(J, 17.1.1981 – GW 1981/5, S. 49/50.)