(Anmerkung AS: Der Tod am Kreuz galt ehemals als Schande für Schwerverbrecher. Durch Jesus Christus ist es zum Siegeszeichen geworden. Durch den Tod am Kreuz hatte er bis in die äußerste Bedrängnis allen Anfechtungen seines Widersachers Luzifer standgehalten und den Auftrag seines himmlischen Vaters erfüllt. Als geistiger Sieger zog er in die Hölle ein und vollzog das ‚Letzte Gericht‘ – auch das im Auftrag des himmlischen Vaters; damit setzte er eine neue, endgültige Weltordnung in Kraft und konnte alle Rückkehrwilligen, die an ihn glaubten, mitnehmen und mit ihnen das ‚Reich des Todes‘ verlassen – damit begann die Auferstehung! Luzifer musste nun alle mit ihm ziehen lassen, die sich auf Christi Seite stellten – und dies gilt nun für alle Zeiten, bis auch der Letzte die Hölle verlassen haben wird.
Das Kreuz ist durch ihn somit geheiligt und zum Siegeszeichen gewandelt und gibt seither allen, die an ihn glauben und auf ihn vertrauen, Schutz, Halt und Kraft.)
L (AS: in einer Anleitung zur Meditation): Immer wieder pflegen wir euch in der Meditation auch das Kreuz Christi vor Augen zu führen; denn es bedeutet doch der ganzen Christenheit unendlich viel. Das Kreuz ist für den Menschen ein Wanderstab durchs Leben. Das Kreuz aber ist ihm zugleich wie ein Schemel, worauf er knien und beten kann. Selbstverständlich ist dies im Geiste gemeint, man erlebt es so im Geiste; im Geiste bedient man sich des Kreuzes als Wanderstab, und im Geiste kniet man darauf und bittet und betet zu Gott. Dasselbe Kreuz aber ist für den Christen auch gleich einer Ruhebank.
Man muss aber das Kreuz auch auf sich nehmen können, so wie Christus gesagt hat, und ihm nachfolgen. Das gilt auch noch für die heutige Christenheit. Es ist aber das Kreuz Christi, an dem sich der fromme und wahre Christ aufrichtet durchs ganze Leben, dass es ihm zugleich Wanderstab und Schemel bedeutet, dass es für ihn die Ruhebank ist und dass dieses Kreuz auch einst über seinem Grabe steht.
Dieses Erleben des Kreuzes geht mit einem Menschen, der Christus ehrt und liebt. Dieses Kreuz ist für ihn von unermesslicher Bedeutung bis zu seiner letzten Stunde, ja über diese hinaus. Wenn er schon längst keine Beziehung mehr hat zu dieser Welt, wenn der irdische Leib der Erde gegeben wurde, so steht über diesem Grabe das Kreuz. Immer ist es das Kreuz, und dieses Kreuz gilt als Zeichen des Glaubens und der Hoffnung. Dadurch will man zum Ausdruck bringen: „Ich gehörte in sein Reich, es war mir mein Wanderstab, dieses Kreuz; es war mir mein Schemel, meine Ruhebank und als letztes noch steht es über meinem Grabe.“
Wenn man im Laufe des Tages seine Arbeit gewissenhaft verrichten muss, vermag man ja nicht immer so göttlich zu denken wie man sollte. Man ist im Arbeitseifer sehr oft vom Göttlichen abgelenkt. Aber wenn man des Morgens sein Haus nicht ohne den Wanderstab des Kreuzes verlassen hat, dann wird man auch im Laufe des Tages daran erinnert; denn man stützt sich auf diesen Wanderstab, man schöpft Kraft aus ihm. Er ist wahrhaftig eine Stütze, denn das Kreuz ist Ausdruck des christlichen Glaubens, der Hoffnung und der Zuversicht. Verlässt man sein Haus in Gedanken, ich habe den Wanderstab bei mir, ich kann mich ja auf dieses Kreuz stützen, dann wird es ganz unbewusst so geschehen.
Denn das Kreuz ist heilig geworden und eine starke Verbindung besteht mit ihm. Denn mitten in seiner Arbeit, in seinem Übereifer, kann man so gemahnt werden. Man kann dadurch an das richtige Tun dem Nächsten gegenüber erinnert werden. Denn Christus lehrte, Gott über alles zu lieben, den Nächsten aber wie sich selbst…
…Von solch großer Bedeutung ist das Kreuz für die ganze Christenheit. Für den, der die stille Stunde der Meditation pflegt, der ganz für sich allein seine innere Verbundenheit zur geistigen Welt, zu Christus zum Ausdruck bringen möchte, für den gibt es wohl nichts Schöneres als die Vorstellung von diesem Kreuz. Dieses kann man sich so vorstellen, wie man in seinem Gedenken das heilige Abendmahl feiert. Man kann es tun, dass es in den Menschen hineindringt, dass er in engste Verbindung mit Christus kommt, dass er sich im Glauben stärkt und Christus ganz erlebt.
Wenn man da nach einem Tag die Stille sucht, der viel Kummer, vielleicht Enttäuschung, viele Sorgen gebracht hat, vermag man als Mensch in dieser Vorstellung viel neue Kraft (AS: zu) schöpfen. Man stellt sich ein Kreuz vor, und man kniet im Geiste darauf; denn das Kreuz ist Sieger über alles. In dieser Vorstellung betet der Mensch zu Gott und bittet um Kraft; er bringt seine Ehrfurcht zum Ausdruck, seinen tiefen Glauben, seine Treue, seine Zuversicht, seine Hoffnung, seine Freude – alles. …Durch seine große Verbundenheit, durch seinen festen Glauben hat er wahrhaftig unter seinen Knien ein solches Kreuz errichtet – im Geiste ein strahlendes Kreuz.
(L, 15.5.1963 – GW 1963/34 – 35, S. 284/5.)