J: Das letzte Mal habe ich zu euch von der Überwindung des niederen ‘Ichs’ gesprochen, was für die Seele Nahrung bedeutet. Wer immer nach dem Göttlichen trachtet und aus göttlichen Quellen schöpft, der stärkt seine Seele zu ihrer Reife, und der Mensch erhält von seiner eigenen Seele wieder diese notwendige Kraft, dass er zum geistig reifen Menschen wird.
Und woran erkennen wir sie, diese gereiften Menschen? Es sind jene, die erfüllt sind von Liebe, für die es eine Notwendigkeit ist, sich immerfort in der Liebe zu entfalten, die einfach nicht anders leben können. Und diese gereiften Menschen sind jene, die einfach nicht anders können, als ein Leben der Gerechtigkeit zu leben. Es sind auch die, die es fertigbrachten, allen Zorn zu überwinden. Die geistig gereiften Menschen sind auch durchdrungen von Wohlwollen und Güte und all den Tugenden. Nach dieser geistigen Reife sollten alle Menschen trachten; sind doch ihrer so viele erst am Erwachen, erst am Grünen, doch dieses Aufblühen bedeutet: er findet den geistigen Weg. (AS: Hier war ein Vergleich des Menschen mit dem Leben eines Baumes vorausgegangen: erst das Erwachen und Grünen, dann das Blühen und schließlich das Früchte Hervorbringen.)
Wie notwendig ist es doch, dass der Mensch immer wieder überwindet! Ob sein Leben kurz oder lange währt, zeichnet sich viel darin ab. Vor allem muss er sich geistige Früchte erwerben, denn an diesen Früchten wird er gemessen und erkannt. Und ich möchte euch dazu sagen: wie ihr Blumen und Pflanzen veredeln könnt, so muss auch der Mensch sich fortwährend veredeln. Doch dazu genügt ein einziges Leben nicht. Immer wieder wird der Mensch, solange er die geistigen Höhen nicht erreicht hat, in diese Welt hineingeboren, bis er die geistige Reife erlangt hat und wirklich wertvolle geistige Früchte zur Reife bringt. Solches vermag der, der seiner Umgebung so viel Verständnis entgegenzubringen vermag, der ein göttliches Leben lebt nach der Lehre unseres großen Meisters Jesus Christus. In seiner Nachfolge wird er von Tag zu Tag reifer, verständnisvoller, noch mehr von Liebe durchdrungen, und größer wird seine Friedfertigkeit, sein Verständnis und Wohlwollen gegenüber den Nächsten. Das alles muss mithelfen, den Menschen geistig zu erheben, was er ja nur kann, wenn er geistig herangereift ist. Und wo steht ihr, liebe Freunde? Es war Gottes Wille, dass der Mensch, als höchstes Wesen seiner irdischen Schöpfung, den größten Anteil habe an Ihm.
… Dem geistig erstarkten Menschen aber, der nach der geistigen Reife trachtet, dem werden auch die entsprechenden Kräfte und geistigen Begleiter zugeführt, dass er seine Aufgaben besser zu erfüllen vermag. Denn um die geistigen Höhen zu erreichen, werden Ansprüche an euch gestellt…
Wenn ihr nach diesem Frieden, nach dieser Güte, nach diesem Wohlwollen trachtet, dann gelangt ihr zur geistigen Reife, und daraus können sich die wunderbarsten geistigen Früchte bilden, die euch im nächsten Leben zugute kommen, so dass ihr zu großen Dienern und Helfern im Heilsplan Gottes werdet. [299 Seitenwechsel 300]
(AS: Nun schließt sich ein Beispiel an, an dem das konkret sichtbar wird. Gleichwohl wird deutlich, dass an einen solch gereiften Menschen hohe Anforderungen zu seiner weiteren Reifung und zugleich auch Prüfung gestellt werden.)
Betrachten wir nun einen solchen gereiften Menschen. Denn so oft glauben nämlich meine Freunde, dass diejenigen, die diese geistigen Höhen erreicht und ihr niederes ‘Ich’ überwunden haben, dass nun alles aufs Beste bestellt sei um sie, dass sie keine Sorgen und keine Schwierigkeiten mehr zu ertragen hätten, dass sie nur in Glück und Freude leben könnten. Dem ist nicht so, viele von ihnen werden hart geprüft. Gerade wen Gott besonders liebt, den prüft er. Und so sollt ihr nicht glauben, dass um den, der die geistigen Höhen und diese Reife erreicht hat, alles nur Glückseligkeit sei. O nein, liebe Freunde! (AS: Nicht solange er über diese Erde geht – die Erde ist ein Reifungs- und Prüfungsort; sobald er ins Jenseits übertritt, ist das ganz anders!)
Schon sehr früh hatte ein junger Mann seine Eltern verloren und war vereinsamt. Es war für ihn keine quälende Einsamkeit; denn er verschaffte sich gute Bücher, die ihm den Weg zum Göttlichen zeigten. So war er trotz seiner Einsamkeit glücklich und zufrieden, solche Erkenntnisse erworben zu haben.
Später gründete er eine Familie, und wieder wurde er hart geprüft. Ein Knabe war ihm geboren worden, da kam das Schicksal und raffte die Mutter hinweg. So stand der Mann mit dem Kind allein. Er gab ihm eine sorgfältige Erziehung; denn aus ihm sprachen Liebe und Güte. Später versuchte er dem Knaben aus seinen Büchern vorzulesen und zu erzählen, denn er wollte auch ihn auf diese Ebene der Erkenntnis führen. Doch zu seiner großen Enttäuschung folgte ihm der Sohn nicht auf seinem Weg; später wurde er sogar zum Verbrecher und kam ins Zuchthaus. Schande kam über diesen Mann.
So getraute er sich kaum mehr unter die Menschen. Anstatt mit der ihm gebührenden Achtung, begegnete man ihm wie einem Ausgestoßenen. Doch alles Erniedrigende ertrug er in Erhabenheit; denn innerlich war er ein freier Mensch. Er hatte sich so viele Erkenntnisse erworben und auf seinem Weg der Erkenntnis so viel Kraft erhalten für sein Leben, dass er trotz seines schweren Schicksals den Lebensmut und die Hoffnung nicht verlor.
Er war nie einsam, hatte er sich doch innig mit der Gotteswelt verbunden. Er musste sich trotz allem Ungemach gestehen, dank seiner geistigen Erkenntnisse das wahre Glück gefunden zu haben. Er wusste, dass er sein Schicksal nicht umsonst zu tragen hatte und dass ihm ja viel Kraft dazu gegeben wurde, es zu tragen.
Als dann seine Zeit gekommen war und er in die geistige Welt abberufen wurde, wartete seiner ein herrlicher Empfang. Soviel Missachtung ihm durch Mitmenschen widerfahren war, soviel Freude und Seligkeit erwartete ihn in der geistigen Welt. In einer herrlichen himmlischen Stadt wurde ihm ein Haus zugesprochen, wo er sich wohl fühlte und Besuche aus höheren Welten empfangen durfte. So wurde dieser Seele besondere Ehre zuteil und viele Seligkeiten durfte sie erfahren nach all dem Schweren, das ihr seitens der Menschen angetan worden war. Und nun erkannte dieses Geistwesen auch, dass es sich selbst (vorgeburtlich) eine schwere Aufgabe erwählt hatte für sein Erdenleben. Denn vor seiner Wiedereinverleibung als Mensch auf Erden, erbat sich dieser Geist, eine schwere Aufgabe auf sich zu nehmen: Er wollte eine ebenfalls wiedereinverleibte, doch schwer belastete Seele nach bestem Können zum Guten erziehen.
Solches erbat sich dieser Mensch vor seiner Geburt – also noch als Geist – selbst. Er konnte diese Aufgabe als Mensch nur durchführen, nachdem er eine gewisse geistige Reife erlangt hatte. Eine solche Aufgabe erforderte ein Wesen, das vorgeburtlich schon die geistigen Höhen erreicht hatte und dann diese Seligkeiten aus dem Gottesreich mit sich in das irdische Dasein nahm, um sich auf Erden trotz der menschlichen Not doch glücklich fühlen zu können.
Also seht, liebe Freunde, klagt nicht über Einsamkeit! Denn es gibt für einen geistig reifen Menschen keine Einsamkeit. Denn er hat doch die Verbindung zur Geisterwelt Gottes, die ihm so viel an Wahrheiten, an Gotteskraft und an Erkenntnissen zu bieten und zu übermitteln hat. Wie kann da ein Mensch noch über Einsamkeit klagen! Wer sich über Einsamkeit beklagt, soll wissen, dass er diese geistige Reife noch nicht erreicht hat.
Somit, liebe Freunde, wieder ein Mahnwort für euch, das besagt, wie ihr zu leben habt. Es verlangt euch doch, mit dem Göttlichen in Verbindung zu kommen, Gott zu erleben, ihn zu erfühlen. Das alles könnt ihr, doch dazu benötigt ihr diese geistige Reife. Dann braucht ihr euch nicht mehr zu beklagen, dass euch zu wenig geistige Kraft übertragen werde, wenn ihr darum fleht, sei es in kranken Tagen, sei es in der Not, oder wenn ihr mit eurem Auge keine Hilfe seht.
Ihr könnt jetzt auch nicht wissen, ob ihr dieses euer Leben, vordem nicht selbst erwünscht habt, um diese oder jene Aufgabe und Prüfung zu bestehen, so dass Boten Gottes euch nach eurem einstigen Wunsch in diese Bahnen hineingelenkt haben. Da sollt ihr doch diese Prüfung bestehen, woran ihr einst gemessen werdet! Denn auch ihr sollt einst mit Jubel und Gesang empfangen werden. [300 Seitenwechsel 301] Und das heißt nun: “Nimm das Leben, … nimm es so hin, und sei trotzdem ein froher und glücklicher Mensch! Trachte nach den geistigen Höhen, so wirst du Seligkeit erlangen!
(J, 31.10.1980 – GW 1980/22, S. 299 - 301.)