J: Als Christus seine Lehrzeit begann, ging er auf die Straßen und Plätze und verkündete dort seine Lehre. Er tat dies, nachdem Engel Gottes ihm die Nachricht überbracht hatten: „Jetzt ist die Zeit gekommen, jetzt musst du hinaustreten.“ Und so tat er.
Er ging von zu Hause weg und fing mit einzelnen Menschen an. Er begegnete Armen und Kranken und trat an sie heran. Zu jener Zeit gab es viele arme Menschen. Sie schliefen in Höhlen oder sonstwo im Freien, auf einer Unterlage, die ihnen als Bett diente. Es war aber wahrhaftig kein Bett in eurem Sinne. In der Schrift steht, Christus habe zu einem Kranken gesagt: „Nimm dein Bett und gehe!“ (Johannes 5,8.) Wie ist das zu verstehen? Diese kranken Menschen lagen auf Unterlagen, die ihr als Lumpen bezeichnen würdet. Darauf konnten sie sich niederlegen, um nicht auf bloßer Erde liegen zu müssen. Eine Art zerlumpter Decke war ihr ‘Bett’, und das konnten sie mitnehmen – also kein Gestell. „Nimm dein Bett, gehe und sündige nicht mehr!“, sagte Christus öfters zu solchen Kranken. [86 Seitenwechsel 87]
Den Anfang machte er mit einem Halbblinden, der dalag. Er ging zu ihm hin und sagte zu ihm: „Ich bin Jesus, ich bin Gottes Sohn. Gott hat mich gesandt, um die Menschheit von den Sünden zu befreien.“ Erstaunt vernahm der Halbblinde diese Worte. „Was sagst du?“, fragte er, „du bist Gottes Sohn?“ – „Ja“, erwiderte Jesus, „ich bin der Sohn Gottes, und ich kann Sünden vergeben.“ An dieser Stelle des Gesprächs – und solche kamen ja mehrfach vor – unterschieden sich die einzelnen Kranken. Der Kranke, von dem ich erzähle, sagte: „Was, du kannst Sünden vergeben? Dann vergib doch auch mir meine Sünden. Wenn du der Sohn Gottes bist, so hilf mir doch!“ – „Ja“, gab Christus ihm zur Antwort, „ich will dir helfen, du sollst sehend werden – du sollst sehen!“ Und Jesus streicht ihm mit der Hand über die Augen und hilft ihm, der am Boden halb liegt, halb sitzt, aufzustehen – und er sieht!
Dieser Sehend-Gewordene ist überglücklich und voller Dankbarkeit. Jauchzend eilt er hinweg – er sieht! Christus ruft ihm nach: „Sündige nicht mehr!“ Aber der Überglückliche hört gar nicht, was Jesus ihm nachruft.
Das war der Anfang. Der Geheilte geht zu den Menschen und sagt: „Ich bin sehend geworden…“ Erstaunt fragen sie ihn: „Ja, wer hat dich denn sehend gemacht?“ – „Dieser Jesus“, antwortete er. „Jesus hat er sich genannt, und er sagte, er sei der Sohn Gottes.“
Kehrt ein solcher Sehend-Gewordener zu seinen Angehörigen heim – er kann es, wenn sie ihn nicht gänzlich verstoßen haben –, dann sagen diese zu ihm: „Erzähle niemand davon, sage es niemand!“ Denn sie haben Angst. Die Angehörigen haben schon im Tempel von diesem Jesus gehört und wissen, dass die Schriftgelehrten ihm nicht gutgesinnt sind. Immer fragen die Angehörigen in einem solchen Falle auch: „Wann wurdest du sehend? War es vielleicht am Sabbat? Am Sabbat darf man das nicht tun…“ Aus lauter Angst bitten sie den Betreffenden, über seine Heilung zu schweigen. Aber gewöhnlich bleibt sie nicht verborgen. Man wird auf den Sehend-Gewordenen aufmerksam – und erst recht wird man auf Jesus aufmerksam.
Nun, das ist ein Geschehen, das nicht in der Bibel festgehalten ist. Es gab aber noch weitere Menschen, die irgendwo auf der Straße auf einer Decke lagen, ganz oder halb gelähmt, oder schon von beginnendem Aussatz gezeichnet, der nur noch nicht erkannt wurde. So lagen diese Kranken herum. Arbeit gab es keine für sie, und leben mussten sie von der Mildtätigkeit der Mitmenschen.
So trat Christus zu einem von ihnen hin. Auch zu ihm sprach er: „Wenn du willst, kann ich dich gesundmachen. Ich bin Jesus, ich bin der Sohn Gottes. Ich kann dich von den Sünden befreien.“ Aber glaubt mir: nicht ein jeder war gleich damit einverstanden, durch diesen Jesus von den Sünden befreit und gesund gemacht zu werden – und zwar einfach aus dem Grunde, weil der Betreffende nicht glaubte, dass er Gottes Sohn war. Viele waren so in ihrem jüdischen Glauben festgewurzelt, dass sie, wenn einer sich als Sohn Gottes ausgab, es nicht glauben wollten, sondern es vielmehr als Frevel betrachteten. Wie durfte jemand von sich sagen, er könne Sünden vergeben! So gab es Kranke, die erwiderten: „Nein, lass mich in Ruhe, ich will nichts von dir wissen – nein, ich glaube nicht!“
Und Jesus geht… Er geht zu jenen, die glauben. Des Öftern fragte er, ehe er den Betreffenden heilte: „Glaubst du an mich? Glaubst du, dass ich der Sohn Gottes bin?“ Es waren Menschen in tiefem Unglück, mit schweren Leiden, von Krankheit heimgesucht. Sie antworteten: „Ja, Herr, ich glaube! Ich glaube, dass du Gottes Sohn bist und Sünden vergeben kannst.“ Dann sprach Christus zu ihnen: „Dein Glaube hat dir geholfen. Nimm dein Bett und gehe!“
(AS: Wir Menschen sind auf der Erde zur Prüfung und Bewährung. Kommt es bei Menschen immer und auch heute nicht in den verschiedensten Zusammenhängen darauf an, dieses „Glaubst du an mich?“ klar zu beantworten, z.B. wenn man der religiösen Wahrheit in der Geisteslehre begegnet – oder Teilen davon in anderem Zusammenhang, bei inspirierten Dichtern und Künstlern allgemein?)
(J, 20.1.1979 – GW 1979/7, S. 86/7.)