(AS: Geistlehrer Josef schildert vier Epochen der Christenheit von Anfang an bis  heute, die er recht ausführlich darstellt, und fasst sie dann folgendermaßen zusammen:)

J: … Wir beobachten also eine Abfolge dieser Art: die Epoche der Christenverfolgungen (AS: frühe Christenheit), die Epoche religiöser Gewaltübung (AS: Entwicklung und Durchsetzung der bibelfremden Dogmen, Kreuzzüge, Inquisition, ‚Hexen’verbrennung u.a.), die Epoche teilweiser religiöser Freiheit (AS: die erkämpft werden musste und noch muss – Aufklärung, Menschenrechtsentwicklung mit z.T. revolutionären Ereignissen) und nun die Epoche religiöser Gleichgültigkeit (AS: ‚Moderne‘ bis in unsere Zeit, geistige Freiheit mit religiösem Substanzverlust, Individualismus). Mag sich die letzterwähnte Epoche auch noch nicht voll durchgesetzt haben, steht doch fest, dass sich Gleichgültigkeit in Glaubensdingen noch ausbreitet. Dies könnt ihr selber beobachten (AS: 1982 gesprochen!).

Wohl besitzen die Menschen heute mehr geistige Freiheit als im Mittelalter. Diese geistige Freiheit ist ihnen gesetzlich verbürgt. Doch zugleich ging bei dieser Entwicklung einiges von der Substanz des Glaubens verloren, und so hat sich vieler Menschen Gleichgültigkeit gegenüber der Religion bemächtigt.

Wenn wir nun der Ursache für die aufeinander folgenden Epochen der kirchlichen Gewalt, der religiösen Freiheit und der Gleichgültigkeit in Glaubensdingen nachgehen, stellen wir fest, dass allen diesen Erscheinungen eine und dieselbe Ursache zugrunde liegt: In allen diesen Epochen fehlte den Menschen die Kenntnis der Wahrheit. Sie kannten weder den Sinn der Schöpfung noch den Grund der Menschwerdung Christi noch den Zweck ihres eigenen Daseins auf Erden. Wer aber in seinem Leben keinen Sinn zu erblicken vermag, dem fehlt auch der Glaube.

Infolge der erwähnten Unkenntnis vermochten die Menschen auch nicht, Christi vielfältige Gleichnisse zu verstehen… Wenn ich sage, die heutige Christenheit sei weithin von Gleichgültigkeit in Glaubensdingen überschattet, so ist der Grund dafür ebenfalls darin zu suchen, dass diese Menschen die Ursache allen Seins nicht kennen. Was sollen sie glauben? Weder kennen sie den Ursprung der Schöpfung der Welt, noch wissen sie, warum Christus in ein menschliches Dasein getreten ist. Daher wurden und sind sie gleichgültig.

Die Menschen von heute können nicht begreifen, wieso gerade der Sohn Gottes, der höchste Geist der Schöpfung, als Mensch am Kreuze sterben musste. Warum musste Jesus so sterben? Nun, die Juden hatten ihn der Gotteslästerung angeklagt. Allein, ein Mensch von heute denkt und überlegt anders. Er fragt sich, wie ein gerechter Gott so etwas zulassen konnte. Wie konnte es möglich sein, dass Gott seinem geliebten Sohn den Auftrag gab, sich so furchtbar erniedrigen, quälen und schließlich töten zu lassen? Damit wird der Mensch von heute einfach nicht fertig, und so flüchtet er sich in Gleichgültigkeit.

Wenn ihr bei euren Mitmenschen diese Gleichgültigkeit wahrnehmt, merkt ihr bei näherer Prüfung selbst, dass sie kein Grundwissen besitzen. Ihre Gleichgültigkeit beruht darauf, dass sie vom Plane Gottes keine Kenntnis haben. Wohl mag ein gläubiger Mensch von Gottes Güte reden; aber die Wahrheit ist ihm gleichwohl verborgen. Welchen Sinn hat es beispielsweise, wenn bei bestimmten Anlässen Menschen ein Kreuz umhertragen zur Erinnerung an Christi Leidenszeit oder wenn sie sich gar selber Schmerzen zufügen, indem sie sich als Buße für ihre Sünden geißeln in der Erwartung, so Vergebung zu erlangen? Wem nützt solches Tun? Wem nützt es, wenn man Kreuze umherträgt, aber weder wahren Glauben noch christliche Liebe in sich birgt? Was nützt es einem Menschen, wenn er sich selbst Schmerzen und Qualen zufügt? Niemandem nützt es! Dem denkenden Menschen von heute sollte doch einleuchten, dass all dies keinen Sinn hat! Menschen tun solche sinnlosen Dinge, weil sie die Wahrheit, weil sie Ursache, Ziel und Zweck der Schöpfung nicht kennen.

(AS: Christus sprach viel vom ‚Fürsten dieser Welt‘‚ vom ‚Widersacher‘ – gemeint ist Luzifer, der einst im Himmel den Abfall und als Folge davon den Engelsturz verursacht hatte; er wollte verhindern, dass sein Machtbereich, die Hölle, das ‚Totenreich‘, geschmälert würde. Christus war nämlich als Mensch auf die Erde, in Luzifers Machtbereich gekommen, um die Abgefallenen zurückzuholen. Deshalb meinte Luzifer, einem gekreuzigten Christus werde niemand mehr Beachtung und Glauben schenken; er hatte nicht geahnt, welche Folgen und Auswirkungen gerade die Kreuzigung des Gottessohnes hatte er hatte die Macht Gottes unterschätzt.)

… Wohl war ihm klar, dass Christus (AS: nach der Kreuzigung) als Geist weiterleben würde, wenn er als Mensch gestorben war; aber ihm blieb verborgen, dass dieser Geist Christus dann in seinen Herrschaftsbereich eindringen sollte. Das wusste Luzifer nicht; das ahnte er nicht! Er konnte auch nicht wahrnehmen, dass Engel Gottes als Streiter schon bereitstanden, um zusammen mit Christus die Pforten der Hölle aufzustoßen und ins Totenreich einzudringen, [75 Seitenwechsel 76] um all jene Wesenheiten zu befreien, die bereit sein würden, nach dem Sieg über Luzifer Christus zu folgen.

Das würde dann die Auferstehung sein, von der Christus in seinen Bildreden und Gleichnissen so viel gesprochen hatte. Die Abgefallenen von einst sollten vom Tode auferstehen und gemeinsam mit Christus das Totenreich verlassen! Er hatte während der Zeit seiner Lehrtätigkeit häufig vom Letzten Gericht gesprochen, bei dem die Guten zum Leben auferstehen würden, die Bösen jedoch zum Gericht. (Vgl. Johannes 5,29.) Immer wieder versuchte Christus seinen Zuhörern klarzumachen, dass ein jeder nach jenem Gesetz gerichtet würde, das beim Letzten Gericht von ihm in Kraft gesetzt werde – ja dass er selbst, Christus, das Gericht sei.

So vieles hatte Christus den Menschen in Gleichnissen offenbart, was damals nicht verstanden wurde. Aber könnte es nicht in der heutigen Zeit verstanden werden? Sollte es heute nicht Menschen geben, die kraft ihrer Vernunft und ihres Verstandes sich höhere geistige Erkenntnisse zu erwerben vermögen, die sie in den Stand setzen, Jesu Bildreden und Gleichnisse zu verstehen und zu deuten? Damit würde der Christenheit ein großer Dienst erwiesen; denn auch bei den Christen muss die Phase der Gleichgültigkeit in Glaubensdingen einmal vorübergehen! Nach einer langen Epoche der Gewalt verlor diese von ihrer Macht, und geistige Freiheit kam wie eine Erlösung über die Menschen. Leider brachte diese Freiheit ihnen nicht den wahren Glauben, sondern mündete weithin in Gleichgültigkeit ein. Aber ich wiederhole: Auch diese Phase religiöser Gleichgültigkeit hat ihre Zeit, worauf sie ebenso entschwinden wird, wie die früheren Epochen einander ablösten. (AS: D.h. auch die Zeit der Gleichgültigkeit nimmt ein Ende!)

Eine neue Zeit wird kommen, da der Christ zu suchen anfängt und wieder glauben will. Er wird aus seiner Gleichgültigkeit heraustreten, hinein in eine Epoche wahren, ernsthaften Glaubens. Denn die Zeit der Gleichgültigkeit wird ein Ende nehmen – merkt euch das, liebe Geschwister! Sie ist eine vorübergehende Phase und wird durch eine neue Phase abgelöst werden.

Nach dem von Christus erfüllten Erlösungsauftrag muss es zu einer Erfüllung im Glauben kommen. Damit sein Werk sich vollenden kann, müssen die Zeiten wechseln. Die Geschichte der Menschheit vollzieht sich in Epochen. Jeder dieser Zeitabschnitte hat seinen Werdegang, seine leitenden Gedanken, seine Besonderheiten. Doch über alle diese Epochen hin ringt sich der Mensch mit der Zeit zu besseren, höheren Erkenntnissen durch. Von Stufe zu Stufe arbeitet er sich empor, und so wird er schließlich zur Wahrheit vorstoßen!

Doch bedenkt rückschauend, was die Gewalt von einst bewirkt hat und wie sie die Gemüter der Menschen beeindruckte – und sie tut es noch! Der Grund ist leicht einzusehen: Der ‚Fürst der Welt‘ ist gekommen, und er ist dageblieben seit jener Zeit, da Christus die Worte sprach: “Ich werde nicht mehr vieles mit euch reden; denn es kommt der Fürst der Welt. Doch an mir findet er nichts.” (Johannes 14,30.) Die Menschen aber sind seine Opfer; auf sie dehnt er seinen Herrschaftsbereich aus. Alles unternimmt er, um die Menschen zu inspirieren, zu beeinflussen und sich botmäßig zu machen.

Sobald der Mensch einmal erkannt hat, dass der Fürst aus dem Totenreiche diese Welt regiert, braucht er sich nicht mehr zu fragen: “Warum lässt Gott, der als der Allgütige und Allmächtige gepriesen wird, soviel Unheil auf dieser Welt zu?” Die Antwort lautet: Dem Fürsten dieser Welt ist das Recht zugestanden worden, die Menschen zu beeinflussen, sie zu verführen, zu betören und so in seine Gewalt zu bringen. Wer willig ist, auf ihn zu hören, wird zu seinem Werkzeug.

Wer aber dazu nicht bereit ist, sondern im Streben nach höherer Erkenntnis zum wahren Glauben gelangt ist, der steht mit seinem Denken, mit seiner Gesinnung im Reiche Christi. Er hält sich an die göttlichen Gesetze; diese aber fordern Gerechtigkeit, Güte, Barmherzigkeit, Liebe. Ein Mensch als Werkzeug des Fürsten dieser Welt hingegen kennt nur Betrug, Herrschsucht, Gewalt, Böses. Also sollte der Mensch sich klar entscheiden, wohin er gehören will.

(J, 4.4.1982 – GW 1983/7, S. 74 – 76; s. zur Ergänzung auch: J, 22.4.1978 – GW 1978/17, S. 225 - 230.)