J: Liebe Geschwister, Christus sprach, das wisst ihr, meist in Gleichnissen und Symbolen. (AS: Dass diese meist nicht verstanden wurden und bis heute nicht verstanden werden, nahm er in Kauf; dadurch war es kaum möglich, diese Aussagen zu verfälschen und zu verzerren. Auf diese Weise ist noch Vieles, was er lehrte in seiner Wahrheit erhalten.) Den Jüngern erklärte er dann diese Symbole und Gleichnisse, weil er sah, dass sie diese nicht verstanden. Obwohl Christus den Jüngern nähere Erläuterungen dazu gab, wurden auch diese nicht in allen Teilen begriffen. Christus: „Die, welche draußen stehen, werden es nicht verstehen.“ (Vgl. Markus 4,11.)

Tatsächlich waren die Gleichnisse Christi und seine sinnbildlichen Darlegungen nicht für jeden verständlich. Wer jedoch als ‚Geistchrist‘ heute diese symbolischen Äußerungen, diese Gleichnisse liest, erkennt, dass alles darin auf den Auftrag hinführt, den Christus zu erfüllen hatte. (AS: Der ‚Geistchrist‘ erkennt in der Geistlehre des himmlischen Hauses Linus, das die von Christus versprochenen Geister der Wahrheit sendet, um die Lehre Christi verständlich zu machen und durch weitere Belehrungen zu ergänzen, die volle biblische Wahrheit.)

Als er durch die Dörfer zog, um die Menschen zu belehren, und diese ihm auf seinem Wege folgten, von einem Dorf zum andern, sprach Christus wohl von der himmlischen Welt, von Gottes Willen, von Gottes Gerechtigkeit, aber im Besonderen redete er von seinem Auftrag. Doch so oft wurde er nicht verstanden. Einer seiner Begleiter aus der Schar seiner Anhänger fragte ihn einmal: „Welches sind die Werke Gottes, die getan werden müssen?“ Christus antwortete ihm: „Die Werke Gottes werden getan, wenn man an mich glaubt und an Den, der mich gesandt hat.“ (Vgl. Johannes 6,28-29.)

Die Menschen aber, die ihm nachgingen, sagten: „Wie kommt der dazu, von sich zu behaupten, er sei Gottes Sohn? Wir kennen doch seine Eltern und seine Geschwister. Wir kennen seine Mutter Maria und seinen Vater Josef… Christus war in die ‘Welt’ gekommen, doch sie erkannte ihn nicht; sie nahm ihn nicht auf als den Gottessohn, der er war. Die Pharisäer und andere Zuhörer sagten: „Unsere Väter aßen in der Wüste das Manna, das vom Himmel kam. Was aber hast du uns zu geben?“ Christus sprach: „Ich bin das ‚lebendige Brot‘ vom Himmel. Denn wer an mich glaubt, der wird nicht hungern. Wer an mich glaubt, wird nicht sterben.“ (Vgl. Johannes 6,35.) „Ich bin das Gericht. Bei dem ‚Letzten Gericht‘ werden jene verurteilt, die nicht an mich glauben. Ich bin das ‚Letzte Gericht‘, ich werde Recht sprechen.“ Diese Worte sprach Christus, noch ehe er seinen Auftrag erfüllt hatte. „Wer an mich glaubt“, so kündete er, „den werde ich beim Letzten Gericht ‚auferwecken‘.“

Gerade diese Worte sind für viele Gläubige auch heute noch ein Rätsel: „Ich werde beim ‚Letzten Gericht‘ jene ‚auferwecken‘, die an mich glauben.“ (Vgl. Johannes 6,40.) Diese Worte machen sie unsicher; sie wissen nicht, wie sie gemeint sind, was sie bedeuten. Jene würde er zum Leben (in der Geisteswelt Gottes) erwecken, die an ihn glaubten. [225 Seitenwechsel 226]

Die Christen von heute sollten diese Worte jedoch verstehen können. Freilich vermögen sie es nur, wenn sie den Ursprung der christlichen Lehre kennen und damit auch den wahren Grund und Sinn der Menschwerdung Christi. Alles führt stets wieder auf dieselbe Frage zurück: Warum musste Christus in dieses Erdendasein treten? Das musste doch einen Grund haben, und es musste einen Grund haben, dass Christus verhieß, er werde am Jüngsten Tag jene auferwecken, die an ihn glaubten.

Wie legt die heutige Christenheit diese Verheißung aus? Sie versteht sie ganz anders, als Christus sie meinte. Noch immer wartet die Christenheit auf das ‚Letzte Gericht‘, obwohl es doch bereits damals (nach Christi Sieg über Luzifer) stattgefunden hat. Wie notwendig wäre es, dass der denkende Mensch von heute jenen Worten Christi nachsänne, aus denen hervorgeht, was ihn wirklich bewegte, was ihn im Innersten beschäftigte. Ihn bewegte doch vor allem anderen die Erlösung der Menschheit, die Befreiung von jenem Sündenjoch, das die Abgefallenen sich auferlegt hatten. Sie alle sollten aus der Knechtschaft befreit und wieder in Gottes Kindschaft eingereiht werden (AS: freilich nach den notwendigen Wandlungen, Läuterungen, Belehrungen und Prüfungen, für die Erlösung und ‚Letztes Gericht‘ erst die Voraussetzungen schaffen mussten). Das war das Ziel des Erdenlebens Christi; das war der Auftrag, den Gott ihm erteilt hatte.

Bei allen seinen Erklärungen von der kommenden Erlösung wies Christus auf die Macht des Bösen hin und auf den Segen, der auf dem Guten ruht. So sehr versuchte er während seiner Lehrzeit, den Menschen nahezubringen, was seine wirkliche Aufgabe war. Die heutige Christenheit kann in ihrem Glauben nur dann zur Einheit finden, wenn sie die Wahrheit erkennt. Hat Christus doch verkündet: „Ich bin der Weg und die Wahrheit.“ (Johannes 14,6.) Wer sich auf diesen Weg der Wahrheit begibt, von dem Christus gesprochen hat, für den kann es nur eine Wahrheit geben, und also auch nur einen Weg. Nur so kann es zur Einheit des Glaubens kommen…

Ich komme auf das Christus-Wort zurück: „Das ‚Letzte Gericht‘, das bin ich! Und wer an mich glaubt, den werde ich ‚auferwecken‘.“ Was ist mit diesem Wort gemeint? Es spricht vorausschauend davon, dass Christus nach Erfüllung seines Auftrages in die Hölle hinabstieg (AS: von Karfreitag bis zum Ostermorgen) und aus ihr alle jene Wesen mit sich fortzog, die an ihn glaubten. Der Sieg, den er errungen hat, und das ‚Letzte Gericht‘, das er über Luzifer hielt, machten es möglich, alle jene Wesen mit sich zu nehmen, die guten Willens waren und glauben konnten. In der Sprache von dazumal gab man dies mit der Wendung wieder: sie wurden ‘auferweckt’ (AS: zum wahren Leben mit Gott und Christus und den seligen Geistern in der anderen Welt). Heute wäre es angezeigt, so manches Wort in der Bibel anders auszudrücken, um den Menschen der Gegenwart das Gemeinte verständlich zu machen.

Gleichwohl ist und bleibt das, was Christus in Gleichnissen und Symbolen ausgedrückt hat, etwas Heiliges, etwas Ehrfurchtheischendes. Es ist etwas so Bedeutendes, dass es den Menschen zugutekommen soll, die sich die Mühe nehmen, darüber nachzusinnen. Wer diese Gleichnisse und sinnbildlichen Äußerungen Christi aufmerksam forschend liest, dringt auch zur Erkenntnis vor. Er bekommt so die Antwort, dass er auf dem richtigen Wege ist. Er erkennt, dass Christus in Tat und Wahrheit der Weg war und ist, dass es nur einen Weg gibt und also auch nur eine Wahrheit. Er sieht ein, dass es einmal dahin kommen muss, dass alle sich auf diesem Weg zu Gott einig werden. Wann das sein wird, kann ich nicht sagen – nicht heute, nicht morgen… Daher braucht es mehr Demut in den Herzen der einen wie der anderen, und es braucht mehr Bescheidenheit bei denen, die meinen, sie seien berechtigt zu bestimmen, welcher Glaube richtig ist.

(J, 12.5.1979 – GW 1979/17, S. 225 – 227)