J: Christus ist der Sohn Gottes. Auch die christliche Lehre hat Christus als den eingeborenen Sohn Gottes übernommen. Was bedeutet ‘eingeborener Sohn’? Es bedeutet: Christus ist aus Gott geboren, ist als geistiges Wesen aus Gott ins Dasein getreten.

Heutzutage überprüft man in der Wissenschaft so viele Dinge und kommt dadurch zu Ergebnissen. Warum überlegt man sich dann auch dieses nicht näher? Will man vielleicht die irrige Auffassung, Christus sei Gott, nur deshalb nicht preisgeben, weil man das einmal aufgestellte Dogma für unfehlbar hält? Der Christ sollte sich vielmehr an das halten, was Christus von sich selbst ausgesagt hat: “Ich bin der Sohn Gottes.” Nie hat sich Jesus als Gott ausgegeben. Wie kommen Menschen dazu, ihn als Gott anzusprechen? Hier erhebt sich doch dann die Frage, wie ein Gott, der über alle Dinge Macht hat – und Gott hat wahrhaftig alle Macht –, wie ein Gott, der Herr über alles und dem alles untertan ist, sich selbst verlassen kann?! Dächte der Christ auch nur etwas darüber nach, müsste er doch gleich erkennen, dass hier etwas nicht stimmt. Denn ein Gott, der über alles Macht hat, kann sich weder selbst verlassen fühlen noch kann er sich selbst verlassen. Also muss es Grund und Ursache haben, warum Christus am Kreuz ausrief: “Mein Gott, warum hast Du mich verlassen?”

Christus ist nicht Gott, aber er ist der höchste Geist in der Schöpfung Gottes. Christus ist aus Gott geboren. Christus ist der Sohn Gottes.

Ihr mögt euch selber ausmalen, wie bestürzt die Familie war, in der Jesus aufgewachsen war, als sie aus seinem Munde vernahm: “Ich bin der Sohn Gottes.” Dies sprach er zum ersten Mal in [49 Seitenwechsel 50] seiner Familie aus. Da waren doch Vater und Mutter und Geschwister da – und Jesus sagte zu Josef: “Du bist nicht mein Vater. Mein Vater ist im Himmel. Ich bin der Sohn Gottes.” Was glaubt ihr, wie schwer es Jesus seiner Familie gemacht hat. Von all dem wird in der gängigen christlichen Lehre kein Wort gesprochen.

Darauf (AS: aber) möchte ich jetzt nicht näher zu sprechen kommen, sondern auf die Ursache des erwähnten Herrenwortes. Wie kam es dazu, dass Jesus ausrief: “Mein Gott, warum hast Du mich verlassen?” Denkt einmal an euch selbst: wenn ihr verlassen werdet oder euch verlassen fühlt, sind dafür Gründe vorhanden. Wenn man von Verlassenheit spricht, geht daraus doch hervor, dass man vorher, also ehe man dieses Gefühl der Verlassenheit hatte, mit anderen zusammenlebte, dass es eine Verbindung, eine Beziehung zu anderen gegeben hat. Wenn man sich verlassen fühlt, ist diese Verbindung abgebrochen worden. Wer von Verlassenwerden spricht, lässt dadurch erkennen, dass vorher Beziehungen bestanden, die jetzt abgebrochen wurden.

Genau so war es auch bei Jesus. Vorher hatte er Verbindung zum Himmel, zu höheren geistigen Wesen. Diese Beziehungen waren nun plötzlich unterbrochen worden. Daher fühlte er sich verlassen und rief diese Worte aus. Er fragte sich: “Was ist jetzt geschehen? Warum hat man mich verlassen – jetzt, in meiner größten Not, im größten Leid? …”

Christus wurde eine Zeitlang verlassen. Einige Zeit hindurch waren die Beziehungen, die er zur höheren Welt hatte, unterbrochen. Das hatte seine Ursache. Diese Ursache muss man kennen – dann versteht man vieles besser. Aber von dieser Ursache wird nicht geredet.

Außer dem irdischen Leben gibt es auch ein geistiges Leben. Es gibt nicht nur eine irdische Welt, sondern auch eine geistige, eine feinstoffliche Welt. Mit dieser feinstofflichen Welt kann ein Mensch in Verbindung stehen. Jesus hatte solche Beziehungen zur feinstofflichen Welt. Die Bibel enthält Belege dafür, dass er solche Beziehungen hatte; Jünger und Umstehende haben diese Beweise miterlebt [bei Jesu Taufe, auf dem Berg Tabor].

…Zunächst aber komme ich noch einmal auf Jesu Beziehungen zur göttlichen Welt zu sprechen. Als Jesus im Garten Gethsemane betete, wurde ihm eröffnet, welcher Tod seiner wartete. Engel waren ins Gespräch mit ihm gekommen. Diese Engel haben ihm aber auch geistige Nahrung gebracht; sie haben ihn gestützt und gekräftigt, damit er seine Aufgabe erfülle. Jesus hatte den Menschen doch verkündet: “Ich komme im Auftrage des Vaters. Ich habe einen Auftrag zu erfüllen. Ich bin gekommen, nicht um über euch zu richten, sondern um zu retten. Ich will, dass keines verloren gehe, sondern dass alles, was der Vater mir gegeben hat, wieder zu mir zurückkommt.” (Vgl. Johannes 6,38; 3,17; 6,39.)

Diese Worte haben ersichtlich keinen Bezug zur irdischen Welt, sondern stellen geistige Beziehungen dar. Auf eine geistige, feinstoffliche Welt deutete Jesus auch hin mit seinem Wort: “Ich komme von oben, ihr aber seid von unten.” (Vgl. Johannes 8,23.) Man muss doch erklären können, wieso denn die Menschen, die damals dort gelebt haben, alle von unten kamen. Wie konnte Jesus sagen: “Ich komme von oben, und ich komme, euch zu retten”? All diesen Worten muss nachgegangen werden! (AS: Christus kam eben ‚von oben‘, d.h. aus der göttlichen Welt, und die Menschen kommen ‚von unten‘, aus der luziferischen Welt, weil sie einstmals Gott verlassen hatten.)

Ich möchte noch kurz auf die Leidenszeit Jesu zurückkommen. Er war ja so furchtbar gepeinigt, gequält, misshandelt worden, dass er, wäre ihm die Engelswelt nicht beigestanden, indem sie ihn als Mensch stärkte, diese Leiden nicht bis zuletzt hätte aushalten können – er wäre an seinen Verletzungen schon vorher gestorben. Man muss sich seine seelische Belastung und alle die körperlichen Qualen vorstellen, die man ihm zugefügt hat. Er wurde gegeißelt und gemartert. Dabei war Jesus von zarter Gestalt. Er war körperlich nicht so robust und von so massiver Gestalt, dass er imstande gewesen wäre, alle ihm zugefügten Schmerzen und Wunden zu überstehen. So musste Jesus also von der Engelswelt getragen und gestärkt werden, damit er bis zum Letzten aushalten konnte. Man verlangte von ihm, das Kreuz zu tragen; aber er brach zusammen, er konnte es nicht mehr tragen, weil er durch die Peinigungen, die er erlitten hatte, so geschwächt war. Man musste also jemanden herbeiholen, der ihm soweit half, dass man ihn zur Kreuzigungsstätte führen konnte. (AS: Die Engel konnte er mit seinem geistigen Auge auch sehen – dann, am Kreuz, waren sie auf einmal verschwunden. Nach dem geistigen Gesetz mussten sie sich zurückziehen, um ihn ohne ihre Unterstützung zu prüfen.)

Alle diese Zusammenhänge bleiben dem Christen im Grunde unverständlich, solange er nicht von Grund auf weiß, weshalb Christus es freiwillig auf sich genommen hat, in ein menschliches Dasein zu treten, nämlich um die Seinen wieder zurückzugewinnen. (AS: …sie, die einstmals ungehorsam und von der göttlichen Ordnung abgefallen waren, wieder zum Vater zurückzuführen.)

(J, 17.1.1981 – GW 1981/5, S. 49/50.)

(AS: Christus sollte und wollte freiwillig auf der Erde und unter menschlichen Bedingungen zeigen, dass man auch unter härtesten Prüfungen – in Schmerzen und Verlassenheit – Gott treu bleiben kann. Nachdem er diese Prüfungen am Kreuz bestanden hatte, ging er mit seinen Engelscharen in die Hölle, um mit Luzifer abzurechnen im ‚Letzten Gericht‘! Da wurden die Bedingungen für den weiteren Aufstieg der Menschen festgelegt, wie Josef in anderen Vorträgen offenbarte.)